Vom langen Marsch des Klimaschutzes

Auch der längste Marsch beginnt mit einem einzigen kleinen Schritt, sagt eine Redensart. Die Rede vom „langen Marsch“ geht bekanntlich auf den chinesischen Revolutionsführer Mao zurück. Fragt sich, wie lange der Marsch von Umwelt- und Klimaschutzkonferenzen noch sein soll. Jetzt war gerade der achte „Petersberger Dialog“ in Berlin. Seit 2010 veranstaltet die Bundesrepublik Deutschland diese internationale Konferenz. Rund 30 Umweltminister aus aller Welt waren diesmal gekommen, berichtet die Saarbrücker Zeitung vom 24./25. Mai (Seite A5). Unter den Teilnehmern war auch der chinesische Klimaschutzminister. China hat's nötig, denkt der (voreingenommene) Beobachter, und erinnert sich an die Bilder aus chinesischen Städten, wo die Menschen Atemschutzmasken wegen der schlechten Luft tragen. Aber dann reibt sich der Leser die Augen. Denn in dem genannten Artikel steht geschrieben: „China ist in Sachen erneuerbare Energien inzwischen weltweit führend.“

Lassen Sie uns dazu jetzt einmal ein Gedankenexperiment machen. Stellen Sie sich vor, Sie wären Kandidat/in bei „Wer wird Millionär“. Es kommt die Frage: „Welcher Staat ist weltweit führend bei den erneuerbaren Energien? - A: Deutschland, B: USA, C: Neuseeland, D: China. Als Kandidat/in würden Sie vermutlich sagen: C kann ich ausschließen, China hat wegen seiner schmutzigen Schwerindustrie und der vielen Menschen die größten Umweltprobleme; B kann ich auch ausschließen, denn die USA bereiten unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump ja sogar den Ausstieg aus den internationalen Klimaschutzabkommen vor. Bei Neuseeland bin ich mir nicht sicher. - Ich nehme den 50:50-Joker!“ Und dann die Überraschung: Deutschland und China bleiben übrig. Wetten, dass 9 von 10 Kandidaten/innen in dieser Situation für Deutschland entscheiden würden?

Aus diesem Gedankenexperiment lassen sich mehrere Schlüsse ziehen: Wir Deutschen fühlen uns ziemlich sicher, in Sachen Klimaschutz vorbildlich zu sein. Und wir haben recht stabile Vorurteile gegenüber anderen Staaten. Außerdem wird so viel von Klimaschutz gesprochen und von Konferenzen und Vereinbarungen berichtet, dass kaum noch einer genau prüft, wie denn der Sachstand tatsächlich ist, schließlich wurden die Erwartungen auch schon oft enttäuscht. Nicht zuletzt sind wir inzwischen vielleicht so weit gekommen, dass sich jede und jeder Einzelne fragen sollte, ob er/sie es sich in der Haltung bezüglich eigenem und fremdem Klimaschutzverhaltens nicht schon zu bequem gemacht hat.

Der letzte Absatz des erwähnten Artikels lautet übrigens: „Deutschland selbst taugt nicht mehr ganz so gut als leuchtendes Vorbild. Die eigenen Klimaziele, minus 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990, werden wohl deutlich verfehlt – derzeit sind nur 28 Prozent erreicht. Und selbst davon stammt ein Großteil aus dem Wegbrechen der schmutzigen DDR-Industrie. Bei der Wärmeerzeugung und im Verkehr hat sich fast gar nichts getan. Zuletzt stiegen die Gesamt-Emissionen sogar wieder.“

Apropos „langer Marsch“. Es ist wie in der Fußball-Bundesliga: Wenn eine Mannschaft absteigt, liegt das nicht am letzten Spiel der Saison. Beim langen Marsch des Klimaschutzes ist es auch nicht der letzte Schritt, der über Wohl und Wehe des Klimas auf unserem Planeten entscheidet. Viele, oft allzu klein erscheinende Schritte zeigen Wirkung. Einige davon können Sie selber tun, oder - besser gesagt - machen Sie selber.