Kompakte Stecker-Solargeräte ja, aber sicher
Die Energiekosten hierzulande steigen und steigen und kein Ende ist in Sicht. Durch den russischen Überfall auf die Ukraine hat sich die Krise dramatisch zugespitzt, sodass Deutschland mehr denn je gut beraten ist, sich schleunigst von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen. Dabei setzt die Regierung langfristig auf erneuerbare Energien und ruft die Bevölkerung kurzfristig auf, Energie zu sparen, wo es nur geht. Vor dieser Kulisse versprechen Hersteller kompakter Stecker-Solargeräte ihren Kunden, nahezu überall, etwa auf Balkons, „ganz unkompliziert“ ihren eigenen grünen Strom erzeugen, nutzen und Geld sparen zu können. Was so verheißungsvoll klingt, hat es allemal verdient, von Experten genauer unter die Lupe genommen und fachlich bewertet zu werden. Schließlich geht es bei Anschluss und Betrieb Strom erzeugender Geräte in Haushalten immer auch um Sicherheit. Die ist in Deutschland, etwa beim VDE mit seinen umfassenden Regelwerken, seit über 100 Jahren in den besten Händen.
Schon jetzt liegen sie voll im Trend und werden allem Anschein nach immer beliebter. Preisgünstige Mini-PV-Systeme, die es sogar Mietern ermöglichen – was bislang Eigenheimbesitzern vorbehalten war –, ihre Stromkosten mit Hilfe von Solarenergie zu senken. Gleich zu Anfang stellen sich im Zusammenhang mit den neuen „Balkon-PV-Modulen“ zentrale Fragen, die im Vorfeld einer Entscheidung pro oder contra ehrlich beantwortet sein sollten. Wie ist es eigentlich um die Wirtschaftlichkeit dieser Mini-PV-Systeme bestellt? Wann ist eine Anschaffung sinnvoll? Welche verlässlichen Aussagen sind zum jetzigen Zeitpunkt über die Produktqualität möglich? Leider liegen bislang denkbar wenig langfristige Erfahrungswerte vor, sodass hier eventuell der Gerätepreis indirekte Hinweise liefern könnte. Passt das neongelbe Preisschild des „Top-Angebots“ in Verbindung mit einer überschlägigen Plausibilitätsprüfung wirklich zu der versprochenen Betriebsdauer von mindestens 20 Jahren?
Doch vor allem, was müssen Endverbraucher bei einem als derart unkompliziert beworbenen elektrischen Stromerzeuger beachten, wenn es um Sicherheitsanforderungen geht, die in Deutschland nicht ohne Grund zu den weltweit strengsten gehören? Soviel darf schon jetzt verraten werden. Ganz so simpel, wie es einige Hersteller ihren Kunden weismachen wollen – kaufen, Stecker in die Steckdose und sofort mit dem Energiesparen loslegen –, ist das Vergnügen dann doch nicht. Erst wenn „ein paar Hausaufgaben“ erledigt sind, sollte einem sorglosen Einstieg in die nachhaltige Welt der Photovoltaik nichts mehr im Weg stehen.
Das Angebot
Genaugenommen reden wir bei diesen Produkten nicht über „Anlagen“ im technischen Sinn, sondern vielmehr über Strom erzeugende Haushaltsgeräte. Geräte, die Strom für den Eigenbedarf produzieren – und nur zu diesem Zweck sind sie sinnvoll –, jedoch nicht für die Netzeinspeisung gedacht sind. „Steckbare Solargeräte“, so der offizielle Terminus technicus, erhältlich im örtlichen Photovoltaik-Fachhandel, zumeist jedoch auf Online-Portalen, werden auch Mini-, „Plug & Play“-Solaranlagen oder Balkon-PV-Module genannt. Zum Lieferumfang der kompakten Stecker-Solargeräte gehören in der Regel ein bis zwei Solarpanels, ein Wechselrichter sowie ein handelsübliches Kabel samt Steckverbinder für die Anschlusssteckdose und oftmals auch eine Art Gestell, in dem das Solarpanel aufgehängt ist, bzw. eine flexible Befestigungsvorrichtung für die Außenseiten diverser Balkongeländer.
Das Prinzip
Um die kleinen Balkonkraftwerke besser verstehen zu können, empfiehlt es sich zu allererst, ihr Funktionsprinzip zu verinnerlichen. Die Solarzellen des Mini-Solarmoduls erzeugen – dieser Prozess heißt Photovoltaik (PV) – aus einem Teil der Sonnenstrahlung elektrischen Strom (Gleichstrom, DC). Der Wechselrichter wandelt diesen in „Haushaltsstrom“ (Wechselstrom, AC) um, der über das mitgelieferte Kabel samt Steckverbinder sowie eine von Experten empfohlene spezielle Energiesteckdose („Typ Wieland“) direkt mit einem Stromkreis in der Wohnung verbunden wird. Diese Energiesteckdose muss von einem Elektrofachbetrieb installiert werden. Sie verhindert im Gegensatz zu einer herkömmlichen Schukosteckdose sicher, dass der Nutzer, z. B. beim Herausziehen des Steckers, einen elektrischen Schlag (230 Volt!) bekommt, den das PV-Gerät sonst verursachen könnte.
Bei Netzanschluss – und ausschließlich dann – fließt der grün gewonnene Strom aus dem Mini-Solargerät in die Anschlusssteckdose, z. B. auf dem Balkon. Und von dort aus geht’s in Richtung der Verbraucher wie Waschmaschine, Kühltruhe oder Fernsehgerät, die an anderen, handelsüblichen Steckdosen in der Wohnung angeschlossen sind. Und genau das tut der grüne Strom. Denn er nimmt den Weg des geringsten Widerstands. Das heißt, bei einer Energiesenke bzw. Energiedifferenz fließt er in Richtung des örtlich nächsten Verbrauchers und nicht etwa noch 50 Meter weiter zum Nachbarn. Der Schlüssel liegt in der höheren Spannung, die von dem Mini-PV-Gerät ausgeht, verglichen mit der Netzspannung am Hausanschluss von 230 Volt. In der Folge wird dann weniger Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen, der Stromzähler läuft langsamer und Verbraucherinnen und Verbraucher sparen Geld. Wenn das Gerät nicht mit dem Netz verbunden ist, das bewirkt eine im Wechselrichter integrierte Sicherung, produziert es keinen elektrischen Strom.
Rentabilität ist relativ
Balkon-PV-Systeme nehmen das große, eher politisch-technologisch geprägte Thema Energiewende Huckepack und machen es spontan für breitere Teile der Gesellschaft plastisch erlebbar. Die können es sich plötzlich leisten. Ihre Einstiegshürden, was die Anschaffung oder entsprechende Erlaubnis der Vermieter, Meldepflichten/Anmeldeverfahren oder die Installation an sich betrifft, liegen relativ niedrig. Mit Balkon-PV-Systemen gehen die Chance, ein wenig Geld zu sparen, und das warme Gefühl einher, dem Klima eine kleine Verschnaufpause zu verschaffen und zumindest ein bisschen energieautarker zu sein, entspannter angesichts der beunruhigenden Entwicklungen an den internationalen Energiebörsen.
Stecker-Solargeräte verkörpern eine ebenso kreative wie flexible und innovative Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Energiewende miteinzubeziehen. Eine Begleiterscheinung, die insoweit nicht hoch genug bewertet werden kann, als nicht weniger als das Gelingen der Energiewende mit der Beteiligung ausnahmslos aller Bevölkerungsgruppen steht und fällt. Preisgünstige Balkon-PV-Module haben somit das Zeug dazu, ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass tatsächlich jede und jeder einen kleinen Beitrag dazu leisten und sich energiesparender verhalten kann. In Zahlen ausgedrückt reduziert ein einziges Stecker-Solargerät während seines in Aussicht gestellten 20-jährigen „Betriebslebens“ den CO2-Ausstoß um rund 2,5 Tonnen.
Optimale Montage
Das Stecker-Solargerät sollte immer auf den eigenen Energieverbrauch ausgelegt sein und die vorhandene Grundlast berücksichtigen. Wie viel Ertrag ein solches Gerät dann tatsächlich an Solarstrom liefert, hängt von verschiedenen Parametern ab. Von der Intensität der Sonneneinstrahlung am Standort und der Nennleistung der jeweiligen Module, von ihrer Ausrichtung zur Sonne und von der Montageart, die zwischen flach, aufgeständert und senkrecht an der Fassade variieren kann. Als ideal gilt eine Montage mit Ausrichtung gen Süden und einer Modulneigung von 30 Grad. Angesichts der recht kleinen Geräte-Nennleistungen sollten Verschattungen generell vermieden werden. Wenn das kleine PV-Modul dann noch professionell beispielsweise an einer Balkon-Außenseite befestigt ist, sodass es nicht schon beim nächsten kräftigen Herbststurm wegfliegt, können neben den elektrischen auch mechanische/bauliche Sicherheitsrisiken effektiv ausgeschlossen werden.
„Kassensturz“ für Rechner
So erwirtschaftet ein Solarmodul mit 600 Watt peak (Wp), also maximaler Leistung, je nach Ausrichtung und Neigung pro Jahr einen Solarertrag von etwa 240 bis 290 kWh. Bei einem zugrunde gelegten Strompreis von 37,14 Cent/kWh (BDEW, April 2022) entspricht dies rechnerisch Beträgen zwischen 89,14 und 107,71 Euro pro Jahr. Immerhin. Bei angenommenen Anschaffungskosten in Höhe von rund 700 Euro nur für das Gerät (ohne Gebühren, ggf. fachgerechte Installation/Montage oder Wartung) fängt der Nutzer demzufolge bei konservativer Schätzung erst nach knapp sieben respektive acht Jahren an, mit seinem PV-Gerät unterm Strich Geld zu verdienen.
Mit Blick auf die nackten Zahlen sind hier eine idealistische Extramotivation hinsichtlich Klimaschutz und Energieautarkie sowie ein gewisser Technik-Enthusiasmus sicherlich von Vorteil. Anders ausgedrückt – Mieter, die sich ein Stecker-Solargerät für ihren Balkon kaufen wollen, nur um reich zu werden, sollten fairerweise wissen, dass sie sehenden Auges auf eine ermüdende Geduldsprobe zusteuern.
Safety first
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das gilt, auch wenn es noch so abgedroschen klingen mag, im wahrsten Sinne des Sprichwortes besonders, wenn das hier erwähnte Licht dazu genutzt werden soll, „ganz unkompliziert“ elektrischen Strom zu erzeugen. Denn spätestens jetzt kommen in Deutschland Regelwerke wie DIN-Normen, Technische Richtlinien und Anwendungsregeln ins Spiel, die auf die weit über 100 Jahren Erfahrung der Branche mit elektrischer Energie zurückgehen. Sie sind untrennbar mit den höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards in Deutschland verbunden, die weltweit ihresgleichen suchen und nicht zuletzt das Gütesiegel „Made in Germany“ seit Ende des 19. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt haben.
So ist etwa die VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 (Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz) hier alles andere als ein Selbstzweck. Sie liefert die detaillierten Spezifikationen, die in Summe, werden all ihre Anforderungen erfüllt, höchste Qualität und einen maximal sicheren Betrieb in Wohngebäuden garantieren. Denn das oberste Ziel ist es immer, Schäden jedweder Art sicher zu vermeiden. Selbst dann, wenn vielen Assekuranzen in Deutschland ihr guter Ruf in Sachen Brandschutzversicherungen vorauseilt.
Was ist bei der Kaufentscheidung zu beachten?
Mini-Solarsysteme können beim örtlichen Photovoltaik-Fachhandel erworben werden. Das Gros der Geräte wird derzeit jedoch im spezialisierten Online-Handel bestellt. Das birgt originär einige Fallstricke, da es im Internet immens viele unterschiedliche Angebote gibt. Ein wahrer Dschungel, der vor allem Laien aufgrund mangelnder Transparenz und Übersichtlichkeit im Netz schnell überfordert. Im Vorfeld sind daher Information und Beratung zu Themen wie einer sinnvollen Geräteleistung bei realistischer Einschätzung des Solarstromertrags immer von Vorteil. Gute Adressen hier sind z. B. die regionalen Energieversorger, die Stadtwerke oder die Arge Solar. Ein weiterer Tipp ist der sogenannte E-Check, seit mittlerweile 25 Jahren das anerkannte ZVEH-Prüfsiegel des E-Handwerks für elektrische Installationen und Geräte.
Generell empfiehlt sich, dass ein Elektrofachbetrieb die Gegebenheiten vor Ort auf Eignung überprüft – Sicherungen, Auslegung der Elektroinstallation, Stromzähler. Letzterer sollte einer mit Rücklaufsperre, idealerweise ein Zweirichtungszähler sein, um zu verhindern, dass mechanische Drehscheiben eines „Ferraris-Zählers“ rückwärtslaufen. Ältere, ungeeignete ohne Rücklaufsperre sind vom Netzbetreiber auszutauschen.
Eine CE-Zertifizierung sowie ein Zertifikat gemäß VDE-AR-N 4105 sind verpflichtend. Nur wenn diese vorliegen, darf das steckbare Solargerät überhaupt am Stromnetz betrieben werden. Die Nennleistung sollte maximal 600 W betragen. Zudem sollten prinzipiell ausschließlich steckerfertige Geräte gekauft werden, da bei Geräten ohne Anschlussstecker die Verantwortung für die Fertigstellung des Produkts vom Hersteller auf den Käufer übertragen wird. Wegen Brandgefahr, empfehlen Experten, sollte nur ein 600W-PV-Gerät pro Anschlussnutzungsanlage (Wohnung) betrieben werden (Rat der Verbraucherzentrale: max. ein Gerät pro Steckdose|Stromkreis).
Darüber hinaus wird empfohlen, dass die Geräte den Sicherheitsstandard der „Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie“ (DGS 0001:2019-10) einhalten. Deren Arbeitsgruppe PVplug hat einen Standard erarbeitet, der den sicheren Betrieb von steckbaren Wechselstrom-Solarmodulen in normalen Haushaltsstromkreisen ermöglicht. Am Ende, empfehlen Fachleute, sollte auch das Thema Monitoring durch Ertragszähler berücksichtigt werden, um Leistung und Ertrag permanent im Blick behalten zu können.
Steckbrief – Empfehlungen für die sichere Installation in Deutschland
- vorab vom Elektrofachbetrieb Gegebenheiten auf Eignung hin überprüfen lassen, z. B. E-Check (Sicherungen, Leitungen, Zähler)
- Herstellerhinweise zur Installation beachten
- Energiesteckdose vom E-Handwerker installieren lassen
- keine herkömmliche Schukosteckdose nutzen
- ggf. Zweirichtungszähler vom Netzbetreiber installieren lassen
- nur ein PV-Gerät pro Anschlussnutzungsanlage [Brandgefahr!]
- auf sichere Befestigung bei Außenmontage an Balkongeländern achten (Sturmgefahr!)
Die rechtliche Situation
Rein rechtlich betrachtet werden Stecker-Solargeräte prinzipiell wie herkömmliche „große“ PV-Anlagen behandelt. Damit Mieter beispielsweise mit ihrem neuen Balkon-PV-Modul rechtlich auf der sicheren Seite sind, sollten sie zuerst die Erlaubnis der Eigentümergemeinschaft bzw. des Vermieters einholen. Zudem bestehen eine Anmeldepflicht beim Netzbetreiber sowie eine Registrierungspflicht im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur (BNetzA). Ggf. sind zudem besondere Bestimmungen des Denkmalschutzes zu beachten.
Fazit
Sind diese kleinen Balkon-PV-Systeme die Rettung für unser Klima oder eher eine Wette auf weiter rasant steigende Stromkosten? Die Antwort auf diese Frage liegt sicherlich irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall, so viel steht fest, die Sonne stellt keine Stromrechnungen. Auch in 20 Jahren nicht. Die Motivation jedoch, aus der heraus ein steckbares Solargerät interessant werden kann, ist vielschichtig, aber von vornherein positiv zu bewerten. Neben monetären Beweggründen dürften die ideellen deutlich überwiegen. Das gute Gefühl, im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten aktiv etwas für den Klimaschutz zu tun. Und ein bisschen mehr Unabhängigkeit tut immer gut. Sei’s drum. Wichtig, bei aller Euphorie, ist, dass das Projekt vernünftig und passend zum Solarkontext besonnen umgesetzt wird. Das heißt, auch wenn es etwas aufwendiger ist, müssen alle geltenden Sicherheitskriterien in Deutschland berücksichtigt werden. Denn ein brennendes Wohnhaus aufgrund einer hoffnungslos überlasteten oder fehlerhaften Elektroinstallation verursacht einen völlig unnötigen und viel zu hohen CO2-Ausstoß, den es doch eigentlich zu vermeiden gilt.