Kritik und Skepsis oder Zuversicht und Hoffnung?

Wir wissen alle nicht, was uns das neue Jahr bringen wird – zumindest nicht komplett, und das ist auch gut so. Wir alle fürchten uns vor Krankheiten und Katastrophen, möchten mehr Frieden auf der Welt, beobachten die Klimaveränderungen mit Sorge, verbinden mit der Digitalisierung und Automatisierung gute und schlechte Erwartungen, und wir machen unsere eigenen Pläne. Kein Wunder, dass zum Jahresbeginn die Begriffe in der Überschrift Konjunktur haben. Oft entsteht dabei der Eindruck, als stünden die Kritiker und Skeptiker auf der einen und die Zuversichtlichen und Hoffnungsvollen auf der anderen Seite. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich aber Gemeinsamkeiten. Womöglich gehören Zuversicht und Hoffnung dazu, wenn die Dinge kritisch untersucht und skeptisch betrachtet werden. Vielleicht ist andererseits eine kritische, skeptische Haltung sogar die Voraussetzung für begründete Zuversicht und Hoffnung. Aber wir denken im Alltag oft, wenn von einem Kritiker und Skeptiker die Rede ist, an jemanden, der an allem etwas auszusetzen hat, ohne sich selbst um Verbesserungen zu bemühen. Kritik heißt aber nicht einfach Ablehnung und Skepsis nicht einfach Zweifel. Von der ursprünglichen (altgriechischen) Wortbedeutung her bedeutet Kritik „unterscheiden“. Kritik bemüht sich darum, Merkmale zu finden, um Gutes vom Schlechten, Angenehmes vom Unangenehmen, Schönes von Hässlichem usw. zu unterscheiden. Solche Unterscheidungskriterien sind dann hilfreich, um Entscheidungen zu treffen. Selbstverständlich gehört dazu eine gehörige Portion Übung und immer wieder neue Information, um keine falschen Urteile zu fällen und nicht bei Vorurteilen stehen zu bleiben.

So ähnlich verhält es sich auch mit der Skepsis. Von der Wortbedeutung her ist der Skeptiker jemand, der sich um einen Überblick bemüht, der nachguckt und prüft, statt sich blind auf etwas Vorgegebenes oder bloß Vermeintliches zu verlassen. Vor allem hütet sich ein Skeptiker davor, ein vorschnelles Urteil zu fällen. Kritik und Skepsis sind also miteinander verwandt. Aber eben nicht in dem Sinne, dass von vorneherein bzw. prinzipiell allem Neuen und Fremden mit Ablehnung und Zweifel begegnet wird, sondern man sich mit kritischem Unterscheidungsvermögen und sorgfältig prüfendem Blick darauf einlässt und man sich nach und nach eine wohlbegründete Auffassung bildet und einen eigenen Standpunkt bezieht. Dazu gehört sogar das Eingeständnis, dass Irren und Scheitern möglich sind. Letzte Sicherheit gibt es nicht. Deshalb sind in einer kritisch-skeptischen Herangehensweise die Dinge und Pläne jederzeit korrigierbar, wenn es neue Erkenntnisse gibt und neue gute Gründe vorgebracht werden.

Kritik und Skepsis sollten also mit guten Argumenten vorgebracht werden. Kritik sollte sich nicht auf bloße eigene Meinung berufen und Skepsis nicht auf den grundsätzlichen Zweifel, dass nichts hundertprozentig sicher ist. Denn dadurch würden Vorurteile und schlechte Gewohnheiten verfestigt und eine gute Entwicklung verhindert. Klüger sind Offenheit für neue Argumente und eine Art moderater oder pragmatischer Skepsis. Wer darin Übung hat, verfällt nicht auf die heute zu Tage leider sehr oft anzutreffende Unart, sehr schnell ein Urteil über Sachverhalte oder Menschen zu fällen. Und er läuft nicht Gefahr, die Dinge entweder zu rosig oder zu schwarz zu sehen. Und das wiederum hat mit Zuversicht und Hoffnung zu tun. Wer kritisch unterscheidet, kann zuversichtlich neue Wege gehen, sich auf Dinge einlassen und ausprobieren, was am besten zu ihm passt. Und wer sich jederzeit im Klaren darüber ist, dass er sich irren und auch scheitern kann, braucht deswegen nicht zu verzweifeln, weil mit skeptischer Zurückhaltung im Urteil und gleichzeitigem Bemühen darum, den Überblick zu behalten, gute Voraussetzungen für positive Veränderungen und eine gute Zukunft bestehen. Das kann man Hoffnung nennen. Es ist nicht die simple Hoffnung auf Glück. Vielmehr handelt es sich um die Zuversicht, dass man selbst zu einer guten Entwicklung beitragen kann – nicht nur im Privaten. Prosit Neujahr!